Krisitina Semenova Über strategies of coherence
Katalog zum Studienpreis 2017 des Freundeskreises der Hochschule für Grafik und Buchkunst und der Sparkasse Leipzig
Screenshots aus dem Klassiker "M - eine Stadt sucht einen Mörder", Zitate von Rainer Werner Fassbinder und Wanuri Kahiu, Textausschnitte, Poster und feministische Manifeste mit einem Wort, zahlreiche Text- und Bildfragmente treffen in der Installation "Strategies of Coherence" aufeinander. Wissenschaftlichen, filmhistorischen oder kulturtheoretischen Diskursen aber auch privaten Fotoarchiven der Künstlerin entnommen, ist das Material aus Rigipswänden angeheftet. Ein fragmentarisches Patchwork zum facettenreichen Themenkomplex Identität, wo Konzepte der Herkunft, Kultur, Sprache und Subjektivität vorgestellt werden.
Welche assoziativen Verknüpfungen entstehen zwischen den breit aufgefächerten Referenzen und wie verständigt man sich über entstandene Bedeutungen in einem Dialog?
Dieser sprachphilosophischen Fragestellung wird in einem performativen Vorgang, der die Installation begleitet, Raum geschaffen und die Prozesse der künstlerischen Selektion, der An- und Zuordnung sowie der Verknüpfung im Ausstellungsraum sichtbar und mit den Besucher*innen verhandelbar.
Durch diese Verfasstheit der Arbeit, verleiht Julia Lübbecke in der mehrfachen Rolle als Produzentin, Vermittlerin und Performerin, der These des Linguisten Michail Bachtin, dass "in der Sprache das Wort zur Hälfte jemand anderem gehört" in ihrem Kunstwerk einen praktischen Ausdruck.
Flexible Pinnwände sind eine ausgeprochene Einladung an die Betrachter*innen, in den gesättigten Raum der Referenzen und Assoziationen einzutauchen und sich den analogen Hypertext selbstbestimmt anzueignen. Der Arbeit ist weder eine Leserichtung vorgegeben, noch finden sich eindeutige Quellenzuweisungen oder Index des Materials.
Dem/ der Betrachter*in wird dadurch ermöglicht, eine persönliche Übersetzung des Materials vorzunehmen und eigene, neue Zusamennhänge herzustellen. Die dabei entstandene Polyphonie der subjektiven Sichtweisen bringt unendliche Interpretationen hervor und setzt hierarchische Grenzen zwischen Künstlerin und Betrachter*innen im Prozess der Bedeutungsproduktion außer Kraft. Die Begriffe der Austauschbarkeit und Beliebigkeit in der heutigen Informations- und Netzwerkgesellschaft, die, mal als Ausdruck der Vielfalt und Hybridität gepriesen, und dann wieder als Überforderung des modernen, durch sie eingeschüchterten Menschen erscheinen, werden durch das Kunstwerk herausgefordert.